Gesundheit und Fitness, eine Begriffsverwirrung

Fitness und Gesundheit werden heute oft als Synonym verwendet. Das ist nicht korrekt. Gesundheit ist viel umfassender als Fitness. Die Fitness konzentriert sich auf körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Gesundheit wird von der WHO hingegen nicht einfach auf die Absenz einer Krankheit oder eines Gebrechens reduziert, sondern als ein Zustand des vollständigen geistigen, sozialen und körperlichen Wohlbefindens.

Fitness als körperliches Wohlbefinden ist also nur eine Komponente von Gesundheit. Das bedeutet aber auch, dass es ohne Fitness keine Gesundheit gibt. Dabei ist Fitness, wie sie heute verstanden wird, eine recht neue Entwicklung, die in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihren Anfang nahm.

Fitnesscenters: eine sehr neue Entwicklung

Eine Entwicklung, die durch die Industrialisierung angeschoben wurde. Denn in einer Zeit, als es noch keine Maschinen, sondern nur Werkzeuge gab, brauchten die Menschen keine Fitnessstudios. Körperliche Bewegung gehörte zum Alltag und die Menschen waren, mal von der allgemeinen medizinischen Versorgung abgesehen, in besserem physischem Zustand als wir.

Welch gewaltige Umwälzung die Wandlung zur Fitnessindustrie bedeutet wird erst klar, wenn wir bedenken, dass in der vorgeschichtlichen Zeit die Menschen als Jäger und Sammler unterwegs waren. Immer in Bewegung, immer bereit zur Flucht. In einer Umwelt, die nicht von bequemen Gehwegen durchzogen war. In ständigem Angesicht plötzlich auftauchender Gefahren passte sich die körperliche Entwicklung ganz natürlich den Anforderungen wie rennen, klettern, springen, kriechen, werfen, heben und kämpfen an. Da brauchte es keine strukturierten Trainingsprogramme und Zeitpläne, die bildeten sich ganz von selbst aus den täglichen Anforderungen heraus.

Umwälzungen gab es schon früher

Eine erste Entwicklung in Richtung Fitnesscenter setzte ein, als der Mensch sesshaft wurde. Die Wandlung vom umherstreifenden Sammler und Jäger zum Ackerbauern brachte weitreichende Änderungen im Arsenal der notwendigen Bewegungen der Menschen. Effektiv wurden viele Bewegungen einfacher oder sogar überflüssig, meist sogar die komplexeren Bewegungen. Um sein Leben rennen, auf Baumstämmen über Schluchten balancieren, ohne Leiter auf Bäume klettern, all das wurde unnötig.

Wehrertüchtigung, die Fitness des Altertums

Die Menschen vermehrten sich, es gab Streitereien

Im Zweistromland Mesopotamien, einer klimatisch gesegneten und äußert fruchtbaren Gegend entstand um ca. 4000 v.Chr. aus verstreuten bäuerlichen Anwesen ein erstes Anzeichen von Zivilisation. Erst in viele Provinzen zerstückelt vereinigten sich dort viele Territorien zu einer zusammenhängenden Macht.

Aber es gab noch weitere solche für das Entstehen von Völkern günstige Gegenden, wie z.B. die Länder längs des Nils. Konkurrenz kam auf und Zivilisationen entstanden und zerfielen durch Eroberungen und Kriege. Ägypter, Perser, Assyrer, Babylonier betrieben Wehrertüchtigung für Eroberungszüge. Die Griechen und die Römer übernahmen dies, nachdem die Zivilisationen der alten Völker zusammengebrochen waren.

In Friedenszeiten wollte man das Trainieren nicht einstellen. Um die Aktivitäten aufrechtzuerhalten, erfand man Wettkämpfe und die olympischen Spiele, wo sich spezifische Disziplinen ausbildeten. Der Hintergrund blieb immer die Wehrertüchtigung. Gegeneinander laufen in voller Rüstung, werfen mit Speer oder Kämpfen und Ringen zielten alle in Richtung Kampf.

Die Zivilbevölkerung wurde von diesen sportlichen Leistungen beeinflusst, so wie auch Kultur und Künste. Die Griechen und nach ihnen die Römer lernten die Schönheit und Stärke des menschlichen Körpers schätzen und nahmen körperliches Training in ihren Lebensstil auf. Die Pflege des Körpers ging über die militärischen Ziele hinaus und gipfelten in der Maxime eines gesunden Geistes in einem gesunden Körper.

Christentum wirkt sich negativ aus

Das Mittelalter: Verlust vieler zivilisatorischen Errungenschaften

Mit der Völkerwanderung ab fünftem Jahrhundert brach Chaos über Europa ein. Es entstanden und vergingen Fürstentümer und Königreiche in schneller Abfolge. Wissen ging verloren, Seuchen folgten sich aufgrund mangelnder Hygiene. Feudalismus bildete sich heraus, nur Adlige und Söldner im Dienst von Adligen trainierten für den Kampf. Die Bauern waren das Eigentum (Leibeigene) dieser Kaste, der das Land gehörte, und mussten für den Unterhalt ihrer Herren sorgen. Das Christentum hatte verheerende Folgen mit seiner damaligen Idee, das irdische Leben sei dazu da, sich auf das Leben im Jenseits vorzubereiten. Körperliche Freuden und der Körper selbst wurden als sündig und unwichtig angesehen. Das Hauptanliegen der Menschen war, eng mit der Kirche verbunden zu sein und seiner Seele einen Platz im Jenseits zu sichern.

Die Renaissance: Ein Neuanfang

Die Renaissance (von etwa 1400 bis 1600) brachte eine Wende, Man interessierte sich wieder für die Vergangenheit und auch an Dinge um sich herum wie Körper, Anatomie, Biologie, Gesundheit und Sport. So eröffnete Vittorino da Feltre, ein italienischer Humanist um 1430 eine Schule, in der neben den klassischen humanistischen Fächern besonderer Wert auf Körperertüchtigung gelegt wurde. 1553 folgte „El Libro del Ejercicio Corporal y Sus Provechos“ des Spaniers Cristobal Mendez, das sich, das war neu, ausschließlich mit Sport und seinen Vorteilen befasste. Nicht viel später befasste sich der Italiener Mercurialis in dem Werk „De Arte Gymnastica“ ausschließlich mit Körperertüchtigung. Er schöpfte aus arabischer Literatur, in der die Methoden der Griechen und Römer bezüglich Hygiene, Ernährung und Bewegung erhalten geblieben war.

Fit für die Heimat

Mit der industriellen Revolution, die manuelle Produktionsmethoden durch maschinelle Fertigung ablöste begann eine Revolution, wie Menschen lebten und arbeiteten. Durch die zunehmende Enge in Europa und den dadurch begünstigten Nationalismus entstand im 19. Jahrhundert ein nationalistischer Eifer in Europa. Gesund und fit in Verbindung mit Nationalstolz und bereit, im Kampf zu dienen, wurde in vielen Ländern Europas als Maxime gefördert.

Als Pionier eröffnete Johann Bernhard Basedow im Jahr 1774 das „Philanthropinum“ in Dessau, nachdem er mit seinen rationalistischen Publikationen und pädagogischen Anschauungen bei den orthodoxen Pädagogen heftigen Protest ausgelöst hatte und mehrmals aus Diensten entlassen wurde. Das Philanthropinum setzte seinen Schwerpunkt auf körperliche Bewegung und Spiele, einschließlich Ringen, Laufen, Reiten, Fechten, Voltigieren und Tanzen. Trotz vieler Widerstände aus orthodoxen Kreisen inspirierte sein „Philanthropinum“ die Gründung vieler ähnlicher Institutionen, und körperliche Ertüchtigung begann, integraler Bestandteil der Lehrpläne zu werden.

Gymnastik für die Jugend.

Zwanzig Jahre später entwickelte GutsMuths, beeinflusst von den Ideen Basedows und Jean-Jacques Rousseaus die Grundprinzipien des Kunstturnens. Sein Werk „Gymnastik für die Jugend“ wurde 1800 veröffentlicht und wurde auch für den Sportunterricht im englischsprachigen Raum übernommen.

1810 wurde Friedrich Jahn als Pionier des Sportunterrichts "Vater des Turnens". Seine Ideen verbreiteten sich in ganz Europa und Amerika. Er hatte Napoleons Invasion Deutschlands miterlebt und glaubte, Körperertüchtigung sei die beste Methode, eine weitere Invasion zu verhindern. 1816 veröffentlichte er „Die Deutsche Turnkunst“.

Inspiriert von Jahns Ideen entwickelte der Schwede Pehr Henrik Ling die "leichte Gymnastik", indem er wenig oder gar keine Geräte einsetzte, sondern sich auf Eigengewichts-, Atem- und Dehnübungen konzentrierte.

Die Ideen dieser frühen Pioniere verbreiteten sich rasch in Europa.

Der Spanier Francisco Amoros gründete im gleichen Zeitraum eine militärische Gymnastik-schule und erweiterte sie dann 1819 nach Paris in die Normale Gymnastik-Zivil- und Militärschule. Unstimmigkeiten führten zu seiner Entlassung, worauf er eine zivile Gymnastikhalle in Paris gründete und so zum Initiator des Sportunterrichts in Frankreich und Spanien wurde. Nachdem 1870 Frankreich das von Ludwig XIV annektierte Elsaß-Lothringen wieder an Deutschland verloren hatte, baute sich eine starke nationalistische Bewegung in Frankreich auf. Der Sportunterricht wurde zum Zentrum der Ausbildung junger Männer, um eines Tages das Vaterland rächen zu können.

Nationale Bewegungen bringen spezifische Entwicklungen

In den 1830er Jahren fanden in Schottland die ersten Highland Games statt, mit Disziplinen aus der schottischen Kultur, wie Baumstamm-Werfen, Hammer-Werfen und Steinstoßen sowie Laufen, Ringen und Springen.

In England beeinflussten Darwins Ideen, dass sich in der Natur nur die Überlegenen weiterentwickeln, stark die Körperertüchtigung. Die Engländer wollten den konkurrierenden Nationen überlegen sein, um sich gegen die anderen als stärkste Nation durchzusetzen. 1858 eröffnete der schottische Fechtmeister Archibald MacLaren ein Gymnasium an der Universität Oxford. Dort bildete er 12 Armeeoffiziere in seinen Disziplinen aus, damit sie sein Trainingsprogramm in der britischen Armee umsetzen.

In Tschechien entstand 1862 eine Turnbewegung, die sich Sokol (Falke) nannte und sich anschließend auch in anderen slawischen Ländern ausbreitete. Es ging bei der Sokolbewegung, die sehr nationalistisch und patriotisch geprägt war, neben der körperlichen Ertüchtigung auch um das Gemeinschaftserlebnis, was sich neben Gymnastikübungen auch durch Marschübungen, Vorträge, Gruppenausflüge und umfangreiche Gymnastikfeste ausdrückte.

In Polen bildeten sich Bewegungen mit leicht anderen Schwerpunkten heraus. Neben körperlichem Training und sportlichen Wettkämpfen wurden auch nationale oder traditionelle Tänze, Lieder und sonstige kulturelle Veranstaltungen gepflegt.

Die Entwicklung der Fitness-Kultur

Die jüngste Entwicklung hinterlässt zwiespältige Gedanken. Es herrscht ein weit verbreitetes Bewusstsein über die Bedeutung regelmäßiger Bewegung. Das Angebot an Fitnessstudios ist groß. Gleichzeitig gerät die Gesellschaft zunehmend außer Form. Übergewicht oder Obesität ist keine Seltenheit mehr. Ganz besonders fortgeschritten ist diese Entwicklung in den USA. In einem kürzlich publizierten Artikel der WHO wird dargestellt, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in den USA erstmals sinkt statt wie bisher ansteigt. Und das trotz immer besserer medizinischer Versorgung.                      Ü

Der Begriff "Gesundheit" verschiebt sich

Auswüchse der Gesundheits- und Fitnessbranche tragen vermutlich dazu bei, dass sich die Bedeutung des Begriffs „Gesundheit“ verschiebt. Gesund wird vermehrt verwechselt mit „fit aussehen“. Fitness wird auf Kosten der Gesundheit überbewertet. Was wird alles getan für exorbitanten Muskelaufbau, der in diesem Maße im Alltagsleben unnötig ist. Ein Training außerhalb eines Fitnessstudios wird von vielen als unprofessionell abgelehnt. Für erfolgreich fit zu sein, werden Geräte für Cardio und Muskelaufbau als unabdingbar angesehen. Daneben verleiht der regelmäßige Besuch eines Fitnessstudios auch eine gewisse gesellschaftliche Stellung. Dazu wird der Missbrauch von Nahrungsergänzungsmitteln, Vitaminen und Aufputschmitteln als notwendig angesehen.

Auch überbietet sich die Fitnessindustrie in immer ausgefalleneren und exotischeren Übungen. Die Menschen werden überwältigt von neuen Trends, überfordert und verwirrt. Modeerscheinungen kommen und gehen. Die bewährten, einfachen Übungen, die sich nur das eigene Körpergewicht zu Nutze machen, sind nicht mehr hip. Geräte, an denen man mit Kabeln und Sensoren angeschlossen ist und auf denen man auf Bildschirmen einzelne Daten-kurven beobachten kann, gelten als hocheffizient. Sie machen nichts anderes, als von den Bedürfnissen einer Fitness für die tägliche Notwendigkeit abzulenken.

Wir müssen auf natürliche Art beweglich sein, genügend Kraft aufbringen, um unseren Bewegungsapparat so zu stützen, dass keine Schmerzen durch gequetschte Bandscheiben oder überlastete Gelenke entstehen. Eine natürliche Methode, die sich distanziert von allen Modeerscheinungen und sich auf das Wesentliche konzentriert, ist meine Trink-dich-Schlank-Methode. Alles andere ist fehlgeleiteter Luxus, der an dem eigentlichen Ziel, gesund und fit zu sein, vorbeigeht. Ich hoffe, dass in naher Zukunft das Pendel der Entwicklungen wieder in die andere Richtung ausschlägt und eine ähnliche Bewegung wie seinerzeit die „Zurück-zur-Natur-Bewegung“ einsetzt, die fälschlicherweise Rousseau zugeschrieben wird, aber dennoch steht für einen Umschwung von einem Extrem in die Gegenrichtung.  


ÜBER DIE AUTORIN

Autor

Sona Gereshauser

Sonja Gereshauser ist als Krankenpflegerin ausgebildet und war schwerpunktmäßig im Rehabilitationswesen tätig. Darauf folgte ein Studium der Gesundheitswissenschaft und Gesundheitspädagogik. Aufgrund ihrer Erfahrung hat sie eine Methode entwickelt, um dem Altern gegenzuwirken und bis ins hohe Alter fit, gesund, leistungsfähig und schlank zu bleiben.

 

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